Claude Balsiger war sieben Jahre lang als Bike-Reiseleiter unterwegs, fast 25mal allein in der Himalaya-Region. Er ist seit 2012 Chefredaktor von RIDE und gibt seine Erfahrung als Ausbildungsleiter der Mountainbike-Guides bei Swiss Cycling weiter. Ein schillernde Persönlichkeit, die auch mal aneckt, aber konsequent ihren Weg geht – und dabei verrückte Dinge tut. So wie die Winterdurchquerung des Himalaya auf einem gefrorenen Fluss, auf einem mit Spikes ausgerüsteten Mountainbike.
Der Entwicklungshelfer
Indien hat es mir angetan. Die Kultur ist so anders. Es wurde zu einer Herausforderung, sich darin zurechtzufinden. Einerseits konnte ich dies tun, indem ich anderen Menschen diese Kultur durch Reisen und Biken näher brachte. Anderseits engagiere ich mich als Freiwilliger. 2010, nach der grossen Hindus-Flutkatastrophe, organisierten wir spontan Hilfe in der Region von Ladakh. Schnell merkten wir, dass man mit Geldhilfe mehr Schaden anrichten kann als die eigentliche Naturkatastrophe. Man greift in soziale Strukturen ein. Es gilt, die komplizierten Besitz- und Landverhältnisse indischer Grossfamilien zu berücksichtigen. Gemeinsam kulturelle Barrieren zu überwinden, war Lernen für das Leben.
Interessant: alle grossen Hilfsorganisationen tummeln sich um die Hauptstadt, das erzielt ein grösseres Medienecho!
Acht Reisestunden von Ladakh sieht man kein Hilfswerk mehr. Man darf diese eben nicht mit Wohltätigkeitsorganisationen verwechseln. Sie brauchen Spenden, um zu arbeiten, weshalb sie letztlich kommerzielle Unternehmen sind. Zur Zeit bin ich am Überlegen, ob ich für die australische Hilfsorganisation lillefro.org, einen Monat pro Jahr ehrenamtlich im Himalaya arbeite.
Der Rekordjäger
Höhenweltrekord, 6175 Meter über Meer. 2010 scheiterten wir, 2011 reüssierte ich, mit Martin Bissig an meiner Seite. Über 5300 Meter kann ein Mensch nicht permanent leben, da beginnt der Körperabbau und die Todeszone. Martin filmte und fotografierte das Ganze. Ich bikte bis auf 6200 Meter. Problem Nummer eins war es, einen Berg zu finden, der überhaupt in dieser Höhe befahrbar ist. Auch die Anreise war eine Herausforderung, zuerst per Jeep, dann mit Pferd und zu Fuss. Wochenlanges Ausharren in Eis und Schnee. Dann das Biken, schwieriges Terrain, keine Wege. Auf 6000 Meter massen wir regelmässig die Sauerstoffsättigung des Blutes. Ich hatte Werte unter 60, in der Schweiz wird man mit Werten unter 90 ins Spital eingeliefert.
Der Eis-Biker
Mein Freund Tundup in Zanskar lud mich ein, mal im Winter die Region zu besuchen. Das Zanskar-Tal im nordindischen Ladakh ist fünf Monate im Jahr von der Aussenwelt abgeschnitten. Da ich kein Wanderer bin, keimte die Idee auf, den gefrorenen Fluss Chaddar mit dem Bike zu befahren (lacht) – auf Reifen, die mit knapp 500 Spikes gespickt waren.
Es stellte sich als das grösste Abenteuer meines Lebens heraus. Es war einfach enorm schön, in der Einsamkeit auf dem Eis unterwegs zu sein. In der Schweiz hatten wir Bedenken wegen der Tragfähigkeit. Dann waren es aber 1,5 Meter und mehr! Die Durchquerung des Himalaya war von Nord nach Süd geplant, 500km, davon 320km mit dem Bike, 180km auf Skiern. Wir starteten bei Ladakh auf 3500m und schafften es in 3 Wochen auf knapp 5000m. Tagsüber die moralischen Hochs angesichts der schieren Landschaftswunder, nachts bei minus 20 Grad und gefrierender Luftfeuchtigkeit.
Thomas Wäspe, Begleiter und Bergführer, bekam früh Magenprobleme. In dieser Höhe hat er sich nie mehr ganz davon erholt. Wir verbrauchten alle Reservetage, dann machte das Wetter den letzten Pass zu. Lawinengefahr und Risiko wurden zu gross und wir entschlossen uns trotz des nahen Zieles im indischen Manali nach 400km zur Umkehr.
Diese wurde zu einem Wettlauf gegen die Zeit, da im Frühjahr die Schneeschmelze das Eis innert Stunden aufbrechen kann, was den Fluss unpassierbar gemacht hätte. Das Rocky Mountain Bike, das sich extrem gut bewährte, hatten wir zuvor schon in einem Kloster zurückgelassen. Am ersten Tag bewältigten wir 45km zu Fuss, Thomas wurde erneut krank und wir liefen zum Teil mit blutigen Füssen 12 Stunden am Tag. Es war Leiden pur und zugleich eine fast meditative Erfahrung.
Daniel Chardon im Gespräch mit Claude Balsiger.
WWW.TRANSHIMALAYA.CH und www.facebook.com/transhimalaya. Bilder und Bildbeschrieb: Claude Balsiger.