Akris. Fashion. selbstverständlich. Ausstellung im Museum für Gestaltung Zürich
Der Eingang zur Akris-Ausstellung ist trapezoid. Typisch Akris – special by Albert Kriemler. Und da steht er vor uns, er drängt sich ungern in den Vordergrund, der einzige Schweizer Créateur de Mode von internationalem Rang muss, so sagt man, beim Défilé in Paris fast auf die Bühne geschubst werden. Créateur liegt ihm näher, auf deutsch würde ich ihn mit Modekünstler betiteln, denn was er erschafft, liegt jenseits von Design und Handwerkskunst, seine Mode ensteht oft aus einem intensiven Austausch mit ExponentInnen aus Architektur, Kunst, Film und Fotografie. Dies zeigt sich hier in den 12 Inspirationswelten und Kollektionen aus den Jahren 2009 bis 2022, welche symbolisch für das 100-jährige Jubiläum der Firma stehen. Sie zelebrieren die Verbindung von Kunst und Mode, bleiben dennoch klar und fühlbar. Der Stoff, aus dem die Träume sind, wird begreifbar, Besucher sind dazu eingeladen, in Kaschmirmäntel zu schlüpfen und Stoffe zu ertasten. Ein Fest für die Sinne.
Wenn man Albert Kriemler zuhört, offenbart sich seine Passion. Es zeigt sich, welch künstlerisch-handwerklicher Aufwand, welche Kreativität und Perfektion in der Auswahl und Bearbeitung der Stoffe steckt. Nichts ist Zufall. Und doch dient sein sinnlicher Minimalismus, wie der Stil oft genannt wird, letztlich nur dazu, Mode in klaren Linien selbstverständlich erscheinen zu lassen.

in ihrem Büro

1960er Jahre

STARKE FRAUEN
Selbstverständlich sollen nicht nur die Kleider wirken, sondern auch die Frauen, die sich in diesen bewegen. Im Zentrum von Albert Kriemlers Schaffen stehen moderne, zielstrebige und selbstsichere Frauen. Die Vorbilder dazu sind Kriemlers Grossmutter Alice Kriemler-Schoch (1896–1972, «A-Kri-S») und Mutter Ute, mit welcher er als junger Designer in den 80er Jahren nach New York reiste und die mit ihrem stil- und respektvollen Auftreten den internationalen Erfolg von Akris begründete – die USA sind heute noch der wichtigste Akris-Absatzmarkt. Genauso stilvoll liest sich die Liste von bekannten Akris-Trägerinnen: dazu gehören unter anderem Michelle Obama, Amal Clooney, Jessica Chastain.
Der Lohn für konstante und harte Arbeit der Gebrüder Peter und Albert Kriemler – und einem Team von langjährigen Designer:innen, ModellistInnen, SchneiderInnen, SchnittmacherInnen, MeisterInnen ihres Fachs. Typisch, dass MitarbeiterInnen, welche seit 40 Jahren im Unternehmen tätig sind, sagen, dass sie immer noch jeden Tag dazulernen. Albert Kriemler bleibt in seinem Drang unaufhörlich, Stoffe, deren Verarbeitung, künstlerisch inspirierte Designs zu einer farbpoetischen Leichtigkeit unter Beibehaltung formaler Strenge weiterzuentwickeln. Das unaufhaltsame Streben nach Innovation ist wohl das eigentliche Geheimnis hinter Akris.



2018, © Foto: Bon Wongwannawat
PARIS FASHION WEEK
Nicht umsonst ist Akris seit 2004 das einzige Schweizer Modehaus, welches in den erlauchten Club der Paris Fashion Week aufgenommen wurde. Den Platz kann man sich nicht kaufen, dazu wird man auserwählt, von der Fédération de la Haute Couture et de la Mode. 2004, das Jahr des ersten Akris-Défilés in Paris war auch der Auftakt zu Kollektionen, die von KünstlerInnen inspiriert sind: Kriemler war fasziniert von den satten (nie lauten) Farben und der Art, wie Félix Vallotton mit Licht umging. Die Kollektion war der Beginn einer neuen visuellen Ausrichtung des St. Galler Modeunternehmens.
STOFF-KUNST UND DAS AKRIS-UNIVERSUM
Das Akris-Universum tauchte fortan regelmässig in die Welt der Künste und der Architektur ein:
Giorgio Morandi, Herzog & de Meuron, Imi Knoebel, Carmen Herrera, Sou Fujimoto, Thomas Ruff, Franz Kline, Wiener Werkstätte, Geta Brătescu und andere mehr. Der grosse Unterschied zu DesignerInnen, welche Kunst einfach reproduzieren oder sich zu eigen machen, ist, dass Albert Kriemler sich intensiv mit den KünstlerInnen beschäftigt, sich austauscht und mit den Werken auseinandersetzt. Die Virtuosität betreibt er nicht der Virtuosität wegen. Sie dient immer der Funktionalität, ist nie L’art pour l’art. Es geht um das Zusammenspiel von Schnitt, Stoff, Farbe und Tragegefühl.
Akris kann hier auf 100 Jahre Stoffmuster-Archiv zurückgreifen, Daniel Binswanger nannte Albert Kriemler auch schon den Stoffmaniac.

(Hintergrund), Werbekampagne, Herbst/Winter 2017


(Hintergrund), Lookbook, Frühling/Sommer 2021

© Foto: Bon Wongwannawat
INNOVATION BY AKRIS
Und die Ästhetik oder dekorativen Elemente werden fortlaufend auf textiler Ebene mit technologischen Neuerungen weiterentwickelt. In Zusammenarbeit mit den weltweit immer noch führenden St. Galler Textil- und Stickereiunternehmen Jakob Schlaepfer, Forster Rohner oder Bischoff Textil. So 2009 die digital bedruckten Opaque-Pailletten, welche den fotografischen Erinnerungen aus dem Landschaftspark “Little Sparta” des Künstlers Ian Hamilton Finlay eine neue Dimension verleihen.
Oder 2014, als die Zusammenarbeit mit dem befreundeten Künstler Thomas Ruff die Basis für die neue Kollektion legte. Die steinige Oberfläche des Mars, fotografiert von einer Nasa-Sonde und von Ruff künstlerisch verfremdet, zauberte Albert Kriemler mit digitalen Fotoprints auf federleichte, seidene Regenmäntel. Typisch, dass diese kein Futter aufweisen, aber zweiseitig bedruckt sind. Das hatte vor Akris niemand geschafft. Für das Finale schritten die Models als lebende Galaxien in schwarzen Abendroben mit diskret aufgestickten LED-Lämpchen (entwickelt mit Forster Rohner) über den Laufsteg.
DOUBLE-FACE
Symbolisch für die Bedeutung von Stoffen und deren Haptik, inzwischen Akris-Markenzeichen, ist die Doubleface-Technik. Sie erfordert aufwendige, präzise Handarbeit. Die ersten Trenngeräte, um so auch Seide oder Leinen zu verarbeiten, hat ein Modellist der Firma eigenhändig entwickelt. Technische Innovation, aussergewöhnlicher Tragekomfort und ästhetisches Statement gehen dabei Hand in Hand. Selbstverständlich, ganz nach dem Akris-Motto.





Foto: Regula Bearth, © ZHdK
www.de.akris.com
Akris
9000 St. Gallen, Switzerland
www.museum-gestaltung.ch
Museum für Gestaltung Zürich
8005 Zürich | Switzerland
Geöffnet: Di- So, 10 bis 17 Uhr und Do 10 bis 20 Uhr.
Vom 12. Mai 2023 bis zum 24. September 2023 feiert die Ausstellung Akris. Mode. selbstverständlich. im Museum für Gestaltung Zürich das 100-jährige Bestehen des Hauses. Im Fokus steht gleichwohl die jüngere Gegenwart wie auch das einzigartiges Savoir-faire.
Hauptbild:
Albert Kriemler x Reinhard Voigt
Drei Teile Druck auf Doubleface Wollstoff (Vordergrund),
© Kunstwerk: Reinhard Voigt, Drei Teile, 1976/77 (Hintergrund), Editorial, Herbst/Winter 2022, © Foto: Akris