JAMES TURRELL

„A CHAPEL FOR LUKE and his scribe Lucius the Cyrene“

Dass sich Licht, Spiritualität und Religion in dieser Art und Weise die Hand reichen können, hätte ich nicht gedacht. Aber die Realität übertrifft ausnahmsweise einmal alle Erwartungen. Turrells Stern als einer der grössten Künstler unserer Zeit, gerade 80 Jahre alt geworden, leuchtet schon lange hell, hier an diesem Ort vielleicht noch in einer zusätzlichen Dimension.

Lichthof mit Turrells Werk und Arcangelo, der Künstlerin Berlinde De Bruyckere (Foto D.Chardon)

Die Neugestaltung des Diözesanmuseums in Freising, kurz DIMU (Diözesanmuseum) ist ebenfalls hervorragend gelungen. Der Lichthof des spätklassi­zistischen Baus bietet Turrell mit ihren grossvolumigem, geometrischen Bögen eine atemberaubende Plattform. Architektur in ihrer schönsten Form, die von einer Decke getragen wird, die Tageslicht-transparent ist und abends ebenfalls in sanftem Licht erstrahlt. Für Viele das aktuell schönste Museum des Freistaats Bayern. Mittendrin und indirekt mit Turrells Werk kommunizierend, die faszinierende Figur des Arcangelo, des Erzengels, die geradezu im Raum schwebt, nicht sehend, den bronzenen Kopf unter einem Mantel von patiniertem Blei verhüllt. Erschaffen hat die fast 3,5m hohe Figur die belgische Künstlerin Berlinde De Bruyckere.

Welch zauberhafter und kraftvoller Kontrast dieser monumentalen und berührenden Skulptur zu Turrells feinsinnig schwebendem Lichtkunstwerk. Von weitem empfängt uns ein Lichtbogen. Langsam, fast ehrfürchtig tritt man die Stufen hinauf. Turrell besuchte das Museum 2013 und wählte diesen Ort selbst: die ehemalige Hauskapelle des einstigen Knabenseminars. Je näher man kommt, desto mehr lösen sich Konturen auf. An der geländerlosen Treppe tauchen wir mit jeder Stufe mehr ins Licht ein müssen auf das Gleichgewicht achten. Die oberste Stufe, die Schwelle, ist der finale Eintritt in die Kappelle.

Turrells Ganzfeld-Installation

Nun befinden wir uns in der Ganzfeld-Installation. Der Raum, das Licht, alles schwebt, und unser Fühlen und Empfinden schwebt gleichsam mit und weg – die einzige Orientierung, für einige wohl auch rettender Fluchtpunkt, ist eine kleine Bank, die zum Sitzen einlädt. Denn stehend drohen wir im «blinden» Ertasten von unsichtbaren Wänden zu enden. Das erste Erstaunen weicht dann einer immer grösser werdenden Faszination, wenn wir wahrnehmen, dass sich die Farben ganz sanft, in Zeitlupe verändern, aus einem Purpurrot wird ein tiefes Indigoblau, was in ein strahlend leuchtendes Grün übergeht. Der weisse Raum, dem bewusst Kanten und Ecken genommen wurden, wird zum lebendig sich wandelnden Farbraum.

Der Besucher tritt sozusagen in das Gemälde hinein, wird Bestandteil davon. Turrell löst als einer der ganz wenigen Künstler den Widerspruch zwischen Betrachter und Kunst auf, indem der Betrachter sich als Teil des Kunstwerks wähnt. Dies führt zu einer Auflösung des Ichs, denn wir verschmelzen darin, nur noch unser Atem und der Puls erinnern an den Wachzustand. Das ist die spirituelle Dimension des Werks, mit der Turrell in all seinen Werken spielt.
Turrell spricht von der Schwerelosigkeit, vom Rausch des freien Falls. Bringen wir genügend Zeit mit, Ruhe und Sensibilität, dann können wir uns ihr hingeben und im Licht entschwinden, gedanklich, emotional, mental. Wer noch nie meditiert hat, erhascht hier einen kleinen Blick davon.
Turrell, der auch Pilot ist und Astronauten-Trainings absolvierte, stammt aus einer Quäker-Familie. Quäker werden auch Kinder des Lichts genannt und wenn seine Grossmutter meinte „gehe in Dich, um das Licht zu begrüssen“ meinte sie wohl etwas Anderes. Aber genau dies hat Turrell mit seinen Werken erreicht. Es ist eine durchaus archaische Erfahrung, die Menschen aller Kulturen gleichermassen anspricht, vielleicht auch eine unbewusste Erinnerung an unser Dasein als Ungeborene, im Mutterleib, die Lichter nur als diffuse Schatten wahrnehmend. Jedenfalls eine Erfahrung, die berührt.

Licht Magnet im DIMU

Das Museum hatte den Mut, die­sem Kunstwerk Raum zu geben. Dieser wurde belohnt, denn die Besucher stehen Schlange, Geduld ist manchmal vonnöten. Vielleicht ein Zeichen, dass Menschen in solch turbulenten Zeiten magisch angezogen werden von der meditativ-ruhigen Magie solcher Werke, die wie in der Kirche zur inneren Einkehr laden.

James Turrell
1943 geboren in Los Angeles, CA, US – lebt und arbeitet in Flagstaff, AZ, US
www.jamesturrell.com
www.rodencrater.com

www.dimu-freising.de
Diözesanmuseum Freising | 85354 Freising, Germany
Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Die dauerhafte Installation von James Turrell ist Dienstag bis Sonntag täglich von 11-12 Uhr und 14-15 Uhr begehbar. Aufgrund des hohen Besucherandrangs kann es
zu längeren Wartezeiten kommen.

Häusler Contemporary
Häusler Contemporary begleitet seit Jahrzehnten den Künstler James Turrell
www.haeusler-contemporary.com

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