Haroon Mirza & Gaia Fugazza

Haroon Mirza und Gaia Fugazza – ein Künstlerpaar im Duett. Von beiden geht eine archaisch-hypnotische Wirkung aus. So gesehen reflektieren sie ihre Kunst. Der Dauerton im Hintergrund erzeugt eine meditativ-trance-artige Stimmung. Trotz der unterschiedlichen Ausrichtung und Wirkung ihrer Kunst verströmen die beiden Harmonie. Das gemeinsame Porträtbild drückt aus, was sie sind – ein Paar im Gleichklang.

Elektronische Gerätschaften und organische Substanzen, geometrische Strukturen und archaisch-figürlich anmutende Bildwelten – auf den ersten Blick wirkt das Zusammentreffen der Werke von Fugazza und Mirza gegensätzlich. Der in London ansässige pakistanisch-britische Künstler Haroon Mirza ist bekannt für seine raumgreifenden Installationen, in denen er Objekte mittels Elektrizität, Licht und Klang zu sensorisch vielschichtigen Erlebnissen orchestriert.

Gaia Fugazza

Gaia Fugazza thematisiert in ihren Gemälden die Verbindung des Menschen zu seiner natürlichen Umgebung, die Fortpflanzung und die Intelligenz der Pflanzen sowie transzendentale Erfahrungen. Die Frau wird ebenso als «Urmutter» wie als zeitgenössisches Subjekt gezeigt. Formal erinnern ihre Darstellungen an Höhlenmalereien, doch interagieren die hybriden Gestalten mit der natürlichen wie auch der technologischen Welt.

Gaia Fugazza
Gaia Fugazza „Woman cleaning coil and breast implants“, 2015
Mixed media on carved wood | 60 x 40 cm | Foto: Mischa Scherrer

Was hat der Stuhl im vor uns hängenden Gemälde für eine Bedeutung, Gaia? 
In vielen Kulturen gibt es keine Stühle! Ich stelle mit meinen Werken kultur-historische Fragen. Welche Auswirkung hat der Stuhl auf die Menschen ausgeübt.
Es geht um Kontrolle, denn Sitzen zwingt uns, eine bestimmte Haltung einzunehmen. Es ist die des Zuhörens, des Lernens. «Setz Dich hin und hör zu!» Es beschränkt unser Denken und Handeln auf einen bestimmten Rahmen, fragmentiert uns als menschliche Wesen. So gesehen, sagt der Stuhl ziemlich viel über die westliche Kultur aus. Dadurch, dass ich den Stuhl in eine archaische Umgebung einfüge, hinterfrage ich solche Aspekte.

Der Künstler Haroon Mirza

Eröffnungsfrage, Haroon, wie wird man Künstler?

Ich denke, jeder ist als Künstler geboren, als Kinder malen, spielen, zeichnen wir – und irgendwann im Leben entscheiden die Menschen, kein Künstler zu sein! (alle lachen) Also habe ich mich nicht entschieden, ich habe einfach weiter gemacht.

Haroon Mirza, Installation view, Dancing with the Unknown.
Haroon Mirza, Installation view, Dancing with the Unknown, Nikolaj Kunsthal, Copenhagen, 2018.

Direkt gegenüber präsentiert Haroon eine LED-Lichtinstallation. Sie leuchtet rot, blau und grün und führt uns die Essenz des RGB-Farbraums vor Augen: Im Zusammentreffen der unterschiedlich getönten Lichter ergibt sich ein weisser Schein, der Gaia Fugazzas Werk beleuchtet.

Haroon, wie sind Strom und Licht verbunden? 
Alles, was wir sehen, ist eine Reflexion von Licht. Unsere Augen empfangen das Licht, wandeln es in elektrische Signale um und senden es an den visuellen Kortex. Auf diese Weise wird Licht oder Wahrnehmung in Strom umgewandelt. Dasselbe mache ich in meinen Kunstwerken.

Du nimmst Licht und lässt uns Strom hören? 
Ja, es ist recht einfach. Wenn man Licht nimmt und es direkt einem Lautsprecher anschliesst, hört man es. Es ist das grundlegende Prinzip von elektronischer Musik.

Der Ton wechselt analog den Lichtern? 
Es gibt etwas Interessantes an Farben und Frequenz. Das reine Grün hat 111 Hz. Viele archäologische Stätten haben Räume, die mit 111 Hertz in Resonanz gehen (dies wurde von der Cambridge University getestet). Niemand wusste, warum. In Kymatik (übrigens vom Schweizer Hans Jenny definiert) macht man die Frequenz durch Resonanz in Mustern sichtbar. Dann entdeckte man, dass Rauch in den neolithischen Stätten bei 111 Hz kreisrunde Muster bildet. Es ist also eine Art altes Wissen, das mich zu meinem Kunstwerk inspiriert hat. Neurowissenschaftler entdeckten dann, dass die Frequenz zwischen 110-112 Hz es dem Gehirn ermöglicht, zwischen der rechten und der linken Gehirnhälfte zu wechseln.
Ich nannte dieses Kunstwerk „Plattform zum Atmen“. Die Frequenz bringt dich in eine Art meditativen Zustand. Schließlich geht es um Bewusstsein. Ich will die Dinge nicht erklären. Das Nichtwissen ist interessanter als das Wissen. Wissenschaftler sind heute Schamanen. Je mehr wir wissen, desto mehr wissen wir, dass wir nichts wissen. Nils Bohr oder Albert Einstein sind gute Beispiele dafür, wohin uns die Grenzen unseres Wissens führen.

Wie reagieren die Menschen auf diese physischen und konzeptionellen Werkzeuge in Deinen Kunstwerken? 
Auf den ersten Blick, z.B. auf Social Media, ergibt das für den Betrachter keinen Sinn. Aber wenn sie es erleben, passiert etwas mit ihnen, denn der elektrische Klang ist organisch. Das Unterbewusstsein beginnt mit dem Kunstwerk zu interagieren, etwas, das Menschen nicht kontrollieren können.

Medizinische Studien zeigten, dass das Gehirn, wenn es auf einer bestimmten Frequenz arbeitet, die Ablagerungen der Nervenzellen niedrig hält, die Alzheimer wachsen lassen. Sie testeten (mit Tieren) Licht und Ton in einer bestimmten Frequenz und die Alzheimer Plaques begannen sich zu verringern. Die Frequenz ist also in vielerlei Hinsicht für den Menschen relevant. Solche Aspekte kombiniere ich auf unterschiedliche Weise in meinen verschiedenen Kunstwerken. Ich gebe Raum für archaische Erfahrungen in einem Umfeld moderner Technik.

www.haeusler-contemporary.com
Häusler Contemporary Zürich
8006 Zürich | Switzerland

www.gaiafugazza.com

Daniel Chardon

Interview mit Gaia Fugazza und Haroon Mirza
während der Doppelausstellung «Antidotes and their Counterparts» | Häusler Contemporary Zürich

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