Lichtkunst an der Wildstrubelhuette Lenk

LICHTKUNST by GERRY HOFSTETTER

Die Sanduhr “tickt”, die anzeigt, dass Gerry Hofstetter zwei Stunden seiner Lebenszeit mit mir teilt. Keine Selbstverständlichkeit, sein untrügbarer instinkt, der ihn in vielen heiklen Situationen vor dem Tod bewahrt hat, trifft auch hier klare und schnelle Entscheide. Frischer Kaffee dampft durch ein Büro, welches überquillt von Souvenirs aus der ganzen Welt, Ausrüstungsgegenständen von Wüsten- und Polarexpeditionen, Auszeichnungen, Entwürfen und Zeichnungen von neuen Projekten.

Mit Gerry Hofstetter im Gespräch
Mit Gerry Hofstetter im Gespräch

Gerry – der Tausendsassa

Gerry Hofstetter lässt sich einfach in keine Schublade stecken – und grinst dabei verschmitzt, das war es genau, was er wollte, was er ist, eben Gerry und dieser ist eine Vielheit:  Gebirgsgrenadier-Hauptmann, ex-Investment-Banker, Helikopterpilot, Inhaber einer Event- und Filmfirma, Motorradfahrer, Mehrkampfmeister, Maler, Kunstturner, Taucher, Ausbildner von Special Forces, die Liste liesse sich verlängern, enden tut sie (zur Zeit) beim Lichtkünstler, nicht irgendeinem, sondern dem wohl führenden. Matterhorn, Pyramiden, Antarktis, Shanghai, kaum ein Kontinent, der nicht seine Licht-Ereignisse erleben durfte.

Er schaut einem direkt in die Augen und man spürt, wie die kindliche Neugierde, wer da wohl vor ihm sitzt, gepaart mit seinem visionären unternehmerischen Denken blitzschnell analysiert und  erspürt, welcher Zufall mich denn in sein Büro gespült hat, wo es doch keine Zufälle gibt. All sein Wirken resultiert in dem, was er heute tut, Projekte entwickeln, welche unsere Wahrnehmung von Gewohntem verändern, uns neue Sichtweisen auf unseren Planeten, seine Schönheit und schliesslich auf uns selbst ermöglichen. Dafür braucht er all diese teils abenteuerlich erworbenen Kompetenzen, seinen Willen und die Begeisterungsfähigkeit, um ein konstant gewachsenes Team sowie die Kulturpartner, die das nötige Kleingeld zur Verfügung stellen, zu immer neuen Abenteuern mitzureissen. 

  • Die Beleuchtungsplatten für Schloss Chillon
  • Gerry - wie er leibt und lebt
  • Den Schalk im Auge
  • Ohne Team geht nichts

Im Gespräch fühlt man sich tatsächlich mitgerissen. Man fragt sich unwillkürlich, “wann packen wir die Koffer und wohin geht die Reise?” Aber der Reihe nach.

Macher seiner eigenen Bubenträume

„Ich war schon als Junger ziemlich neugierig. Mit 15 sass ich auf dem Acker unseres Bauernhofes, imitierte den VanGogh mit Schlapphut, Mantel und skizzierte auf meiner Staffelei den Bauernhof. Es kam Frau Weber auf ihrem Pferd vorbei, ganz erstaunt ob meiner jugendlichen Malkünste und fragte mich, ob ich ihr Pferd malen könne. Ich malte den Kopf, mehr Zeit liess mir Bergsteigen und Kunstturnen nicht. Es folgten viele Pferdeköpfe… mit 17 und einem Verdienst von CHF 100‘000 hörte ich auf. Es folgte Bankkarriere als Investment-Banker mit Einblick in das globale Geschäft, ich sah aber damals schon das Ende des Bankgeheimnisses voraus, die Langweiligkeit von standardisierten Fonds-Produkten und – fand die ganzen Präsentationsanlässe total langweilig.

Der Illuminator – Lichtprojektionen im grossen Stil

Mit 29 gründete ich deshalb eine Event-Firma. Gratis-Events für viele Menschen war meine eigentliche Vision.  Live on Ice, die Eisbahn im Zürcher Landesmuseum verzeichnete in 11 Jahren (seit 2003) 1,8 Mio. Besucher. Ich kreierte Baggerballets in Kieswerken und vieles mehr. Dabei suchte ich krampfhaft etwas, womit man den Events noch mehr Leben und Emotionen einhauchen könnte. In einer Zeit, die auf Beamer setzte, stiess ich 1999 auf ausgemusterte alte, enorm lichtstarke Projektoren der 70er Jahre. Meine alte Malleidenschaft liess mich Glasplatten mit verrückten Designs entwerfen, die grossflächig projiziert, eine unglaubliche Wirkung entfalteten. 

Die Telefonleitungen liefen heiss, aber es brauchte zwei weitere Jahre, um mich selber zu überzeugen. Nach der Beleuchtung des 100-Jahr-Jubiläums des Berner Bundeshauses wurde der Druck so gross, dass ich mir sagte, das gefällt den Menschen offenbar so gut, da lässt sich was draus machen.

Ein Logo ans Bundeshaus oder an die Pyramiden projizieren (so gewisse Anfragen) fände ich aber platt und spricht nicht gerade für denjenigen, der mich anfragt. Es geht darum, Kreativität zur Geltung kommen zu lassen. Aus den nicht-kommerziellen Projekten zugunsten der Erhaltung unseres Planeten ergeben sich  tolle Projekte. Demgegenüber stehen höchst professionelle und einzigartige Kommunikationsplattformen für Unternehmen und Institutionen, mit Lichtkunst im Zentrum.

Pyramiden von Gizeh
Pyramiden von Gizeh

USA – new challenge

Wieso kleckern, wenn man eine Sache gross aufziehen kann? Unerschrocken und kreativ geht Gerry Hofstetter grosse Projekte an: Beispiel USA. Die Schweiz will das Image der Schweiz in USA aufbessern?

Dazu hätte Hofstetter die Idee, die Gemeinsamkeit der beiden Länder und das föderalistische Erbe in den Vordergrund zu stellen. Aus 90‘000 Monumenten (natural, historical, memorial) wird pro Bundesstaat ein Monument für eine Beleuchtung ausgewählt. Dann werden die Wirtschaftspartner an Bord geholt. Hof-stetter kümmert sich um  Bewilligungen, bis hin zu derjenigen von Indianerhäuptlingen. Appenzeller Scherenschnitte passen perfekt zu den handgeknüpften Indianerteppichen, der (Schweizer) Zug wiederum zur Eroberung des Westens durch die Eisenbahn. Hofstetter verknüpft auf einfache und kreative Art Dinge, die normalerweise nicht zueinander passen – und plant sie generalstabsmässig. Auf einer 14-monatigen Tour werden die ganzen Monumente inszeniert, dann geht’s für ein Jahr zurück in die Schweiz, für Produktion Film, Bücher, Kunstausstellungen. Zurück in USA sollen drei rollende Kunstausstellungen (Trucks), welche die 50 Monumente zusammenfassen, nochmals die ganzen 50 Staaten und Monumente besuchen – eine Ausstellung steht, eine ist im Auf- die dritte im Abbau. Das wird mit Seminaren „Future of…“ verknüpft. Solche Aktionen erzeugen ein mediales Echo, welches ein Land, geschweige denn eine Firma, schlicht nicht bezahlen könnte. Hofstetter: „Die Menschen erkennen, dass unsere Aktionen echt sind. Keine getürkten 3-D-Animationen. Mit den Alphütten-Beleuchtungen haben wir 83 Millionen Menschen erreicht.“
www.grandtour-usa.ch

Schnee & Eis

„Das sind meine zwei Elemente. Schnee ist einfach mystisch, schluckt allen Lärm. Im Eis ist Geschichte für Millionen von Jahren eingefroren. Eisberge sind Mahnmale und Spiegel unseres Tuns, Abfallprodukte der Eispole, die im Meer verschwinden.“

Das geht so weit, dass sich Gerry ein Spungbrett bastelt, es in die Arktis mitnimmt, mit Neopren ab Eisbergen ins Eiswasser eintaucht – woraus der Film „The Arctic Poet“ hervorgeht. 

„Im Gespräch mit Inuits wurde mir klar, dass die Eisberge bald Geschichte sein werden. Das war für mich Anlass genug, eigene Aktionen zu starten. Einstein meinte, dass die Existenz der Menschheit von den Bienen abhängt. Ich sage, auch ohne Eisberge wird es keine Menschen mehr auf diesem Planeten geben. In Schnee und Eis ist die Quelle unseres Lebens, das Wasser, eingebunden. Darin liegt unsere Zukunft. Wo Wüste wächst, haben wir den Kampf bereits verloren. Das Eis ist aber auch Symbol für die Sensibilität unserer Erde.” 

Mag Eis und Schnee auch manchen Menschen 
unwirklich und abweisend erscheinen, erlebe ich in ihnen die
absolute Stille und reinste Poesie des Lebens.

  • Antarktisexpeditionen 2005 und 2006
  • Eisberge ins rechte Licht gerückt
  • Antarktis
  • 2007 und 2008 in die Arktis: Eiswüste trifft Sandwüste.

Hütten im Alpenglühn

„Schweiz, Berge, das Wasserschloss Europas. Ich habe nicht vergessen, was mir ein hoher Armeeangehöriger einmal anvertraute: und sollte die Armee einmal obsolet werden, wird die Klimaerwärmung uns eines Tages dazu zwingen, die Wasserreserven zu hüten und zu verteidigen. Natürlich beginnt der Kampf viel früher. Deshalb – und weil das Paradies vor unserer Haustüre liegt, galt es mit einer spektakulären Mission, dies in Erinnerung zu rufen. Zum 150-Jahr-Jubiläum des Schweizer Alpen-Clubs beleuchteten wir 26 Hütten in 26 Kantonen, das Material, für mich oft 40 – 55 kg, haben wir selber die Berge hoch und wieder runter geschleppt. Das Projekt, zu dem ein Kinofilm und das Buch „Hütten im Alpenglühn“ entstand, stellte uns aufgrund der natürlichen Gegebenheiten, Hochgebirge, eisige Temperaturen, Wetterwechsel, vor gigantische Herausforderungen. Gigantisch war aber auch das Resultat, welches uns selber zu ehrfürchtig staunenden Betrachtern „degradierte“ wie auch die Reaktionen zur überirdischen Schönheit, welche aus der Kombination von Hütten, Bergen und unseren Lichtbildern entstand. 

Vor allem der Film rührte die Menschen zu Tränen. Die Kulisse war bekannt, tolle Bergfotos nichts Neues. Aber diese winzig-kleine Hütten erhalten plötzlich eine andere Bedeutung. Die Kleinode bedeuten Licht, Hoffnung, Wärme, Schutz. Wir beleuchteten meist in der Abend- und der Morgendämmerung, das Alpenglühn verstärkte unsere Bilder auf natürliche Weise. 

Daraus entstand die besondere Magie. 
Erschaffen auch durch unser Leiden, die Mühsal,
das Material da hochzuschleppen,
in Eis und Kälte nächtelang auszuharren,
bis der magische Moment da ist.

Die Reaktionen waren Staunen und Ungläubigkeit, auch ob der Leistung der Hüttenwarte, die der Hütte mit ihrer weltmeisterlichen Handfertigkeit an einem unwirklichen Ort Leben einhauchen.

Licht am Matterhorn

Sein letzter Coup 2020 war die Beleuchtung des Matterhorns bei Nacht, anlässlich der Corona-Krise, um der Welt einen Funken Hoffnung und einen Lichtblick am Horizont zu gewähren. Lesen Sie hier den Artikel: https://artofmagazine.com/2020/04/25/licht-am-matterhorn/

  • Lichtkunst an der Wildstrubelhuette Lenk
  • Chamanna Coaz ob Pontresina
  • Fridolinshuette Linthal
  • SAC Kroentenhuette Ur
  • Monte-Leone-Huette, Simplon
  • ALLOFUS Foto: © Frank Schwarzbach-1
  • CHINA Foto© Frank Schwarzbach
  • Hope Foto: © Gabriel Perren
  • SCHWEIZ Foto © Gabriel Perren
  • DEUTSCHLAND Foto: © Gabriel Perren
  • BRASIL Foto © Henry Maurer
  • USA Foto © Gabriel Perren

Gerry zu:

Berge

Im Flachland benötigen wir einen Zug, ein Auto oder ein Fahrrad, damit sich die Landschaft verändert, um uns herum bewegt. In den Bergen: man nehme eine Jacke, Wanderschuhe, was zu trinken mit, du gehst los, zu Fuss – und die Landschaft verändert sich permanent! Panoramen mit grossartigen Ausblicken, Erleben verschiedener Vegetationsstufen und Jahreszeiten an ein und demselben Tag. Grossartig!

Schweiz

Ist für mich ein Vorbild. Wenn man über so viele Jahrhunderte konsensfähig ist, eine Kombination aus Schlauheit, Fleiss und Glück, dann ist der Charakter der Nation zu einer Einheit verschweisst. Das  motiviert mich, rauszugehen und diesen Geist in globale Projekte mitzunehmen. So auftretend, wird man meist mit offenen Armen empfangen.

Gefahr & Instinkt

Letzteres beschützt mich meist vor ersterem. In Grönland kehrte ich grundlos, aber rechtzeitig vor einem Unterwasser-Tsunami um, ausgelöst durch einen gekippten Eisberg. Beim Jungfrau-Jubiläums-Projekt auf 3400m musste ich mit gebrochenem Bein ausharren, weil uns der zweistärkste Sturm des Jahrhunderts mit Windgeschwindigkeiten von 251km/h drei Tage und Nächte lang bei -38 Grad „einfror“. Die meisten von uns, auch erfahrene Bergführer, hatten ihren Abschiedsbrief bereits geschrieben.“ 

Kunst

Gerry Hofstetter bezeichnet sich selber nicht als Künstler und hält sich an die Kunstdefinition von Gustav Klimt: Kunst ist dann Kunst, wenn jemand eine rare und gefällige Fertigung oder Begabung hat, diese im öffentlichen Raum kostenlos einem breiten Publikum darbietet und diese der überwiegenden Mehrheit gefällt! 

„Daran orientiere ich mich. Und nicht an Gallerien oder Kunstkritikern, die uns beibringen wollen, wie und was Kunst zu sein hat. Am Schluss ist es jedem persönlich überlassen, was er als Kunst empfindet.“

www.hofstetter-marketing.com

Letzte Lichtkunst-Aktion von Gerry Hofstetter am Matterhorn in Zermatt

Daniel Chardon

Interview Herbst 2015

  1. […] hatte gerade mein altes Interview mit ihm hervorgekramt (siehe unser Portrait: https://artofmagazine.com/2020/04/16/lichtkunst-gerry-hofstetter/), da erfuhr ich Tags darauf vom „enlightened Matterhorn“, notabene durch meinen […]

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