DAS KINDERSPITAL ZÜRICH ERHÄLT EINEN SKY SPACE DER SUPERLATIVE
Jürgen Häcker, Berater und Betreuer von Architekten sowie Projektleiter für Lichtkunstwerke bei Zumtobel, ist für die physische Erstellung des My Sky Spaces verantwortlich. Zwei Jahre wird das Projekt bis zur voraussichtlichen Eröffnung 2024 gedauert haben. Und wartungstechnisch wird er es auch die nächsten Jahre begleiten.
Interview mit Jürgen Häcker vom 26. Oktober 2023, Begehung der Skyspace-Baustelle im neuen Kinderspital
Wie könnte man die Rolle von Jürgen Häcker umschreiben?
Ich habe im Laufe der letzten 20 Jahre in einem Team wohl mehr als 20 Projekte von und mit James Turrell geplant und umgesetzt. Dazu gehörten u.a. der ehemalige Dresdner Bank Tower in Frankfurt, home of Fifa in Zürich, Louise Blouin Foundation in London und die Fassade der Kunsthalle Mannheim. Auch aus der Realisierung des Zumtobel-Geschäftsberichtes 2014/15 mit James Turrell haben sich weitere Kooperationen ergeben. Meine Rolle ist die einer Schnittstelle zwischen Architektur und Künstler, ich bin fast wöchentlich mit Herzog & de Meuron, Wolfgang Häusler und James Turrell in Kontakt und dafür verantwortlich, dass die Idee von James Turrell möglichst perfekt materialisiert wird. Und hinterher auch funktioniert. Dazu gehört auch die langfristige Wartung und Instandhaltung des Kunstprojektes.
“My Sky”
Was ist das Besondere am “My Sky” des Kinderspitals?
Der My Sky des Kinderspitals Zürich wird einer der grössten Sky Spaces Europas. Für mich ist My Sky der Höhepunkt einer fast 20-jährigen Zusammenarbeit mit James Turrell. Der Raum ist mitten im Kinderspital gelegen und soll den PatientInnen, Angehörigen, aber auch dem Personal die Möglichkeit geben, eine kurze Auszeit zu nehmen. Es ist ein Raum der Achtsamkeit, der meditativen Erholung.
Was waren die speziellen Herausforderungen?
Einen Sky Space in einem Gebäude wie dem Kinderspital zu errichten, stellte ganz neue Anforderungen. Die Wände des Sky Space, die vorwiegend aus leichtem Styropor bestehen, wiegen eigentlich nur eine Tonne. Sie müssen im Gebäude aber dampfdiffusionsdicht verbaut sein. Die Metallkonstruktion für die Sitzflächen sollte nach unseren Plänen nur gedämpft auf den Boden gestellt werden. Die Anforderungen an die Erdbebensicherheit machten uns einen Strich durch die Rechnung. Sie musste fix mit dem Boden verbunden werden.
Darüber werden Granitplatten verlegt, die mit ganz feinen Fugen, auf die Sitzbänke zulaufend, ellipsenförmig angelegt sind. Die Metallkonstruktion bildet auch die Basis für eine Rückwand, deren oberer Teil beinahe unsichtbar den ersten Lichtring enthält. Aufgrund der Höhe von acht Metern und der Grösse von 10 x 8 Metern mussten wir zwei Lichtringe ansetzen. Zum Abschluss gegen die Kuppel ist gar ein kleinerer, dritter Lichtring angebracht.
Bleibt der Sky Space offen?
Ja, bei schönem Wetter und – unter gewissen Bedingungen Nein. Der Helikopter-Landeplatz auf dem Dach ist unweit der Öffnung des My Sky Spaces. 10 Minuten vor Anflug eines Helikopters erhält die Steuerung des Sky Spaces ein Signal und eine mehr als 3 Tonnen schwere Kuppel schiebt sich auf Schienen über das Dach. Mit dem geschlossenen Dach des My Sky Spaces ergibt sich ein weiterer für uns fremder Effekt der Dimensionslosigkeit. Die Schale, welche die Kuppel schliesst, hat eine spezielle Beschichtung und wird vom dritten Lichtring so angestrahlt, dass der Lichteffekt auch bei geschlossener Kuppel gegen oben einen aussergewöhnlichen Abschluss erhält. Die Kuppel wird auch bei Wetterereignissen wie Wind, Regen oder Schnee verschlossen, so dass der Raum einigermassen geschützt bleibt.
Licht und Farben
Welche LED-Leuchten werden verwendet?
Es ist ein amerikanisches Produkt, mit den klassischen LED-Grundfarben rot, grün, blau und weiss. Typisch amerikanisch, gross, robust und mit hoher Farbsättigung. Turrell hat mit diesen LED schon mehrfach gearbeitet, kennt ihre Funktionalität und Farbspektren und hat die Programmierung darauf abgestimmt.
Wie hat sich die LED-Technologie entwickelt?
Bis 2004 mussten wir mit Neons arbeiten, was in einem Projekt wie der Dresdner Bank mit 160 Metern Höhe nicht ganz einfach war. Die LED-Technologie hat unsere Arbeit stark vereinfacht. Trotzdem bestehen spezielle Anforderungen an die LED. Der Range der Farbdifferenz muss bei diesen qualitativ hochwertigen LED stark reduziert sein. Nur so ist die Gleichmässigkeit der Farbgebung im Raum garantiert, was für diese Spitzenkunst eine Bedingung ist. Wir haben die Lichtreihen doppelt nebeneinander angelegt, damit die Farbintensität an den Wänden und Decken bereits in der früher Dämmerung gewährleistet ist und das Kunstwerk länger erlebbar wird.
Sky Space: Handwerk und Passion
Wie baut man einen solchen Sky Space?
Wir haben verschiedene Spezialisten, fast alle aus Vorarlberg, welche mit dem Bau des Sky Space in Lech bereits wertvolle Erfahrungen sammeln konnten. Ein Unternehmen kümmert sich um die Granitsteine. Ein Lichtdesigner aus Berlin programmiert die Lichtsteuerung. Ein weiteres Unternehmen ist für die Metallkonstruktion verantwortlich. Ein Raumdesigner fräste im 3D-Verfahren die igluartige Grundform der ganzen Kuppel aus Styroporblöcken. Für den Brandschutz wurden Glasfasermatten darauf angebracht. Auf die oberste Gipsschicht der Wand kommen drei Lagen Dispersionsfarben und letztlich eine finale Farbschicht, welche mit ihrer Mattigkeit wie eine Leinwand die Farben reflektiert, aber nicht spiegelt. Diese Schichten müssen in ihrer Gleichmässigkeit perfekt angelegt sein, weil man jede Unebenheit sofort erkennt. Das fahrbare Kuppeldach ist das letzte Gewerk. Was alle Handwerker auszeichnet, ist die hochgradige Begeisterung, bei einem solchen Projekt mitzuwirken. Die Leidenschaft steckt an!
Wo sind welche Schnittstellen zu beachten?
Grundsätzlich bewegt sich das Licht in einem solchen Kunstwerk nicht in der klassischen Welt der Architektur, sondern derjenigen des Messe- und Bühnenbaus. Wir nutzen das DMX-Lichtsteuerungs-System aus der Eventwelt. Die Architektur arbeitet mit Dali (Digital Addressable Lighting Interface). Ich, als Generalist, bringe die verschiedenen Welten in meinen Projekten zusammen, muss auch schauen, wie eine SPS-Steuerung integriert wird, LED-Montagen, Kuppelbau, Brandschutz – alles muss geplant und umgesetzt werden. Wir bieten James Turrell die Grundfunktionalität der Lichtsteuerung.
Programmiert werden seine Effekte aber letztlich vor Ort am Objekt im Kinderspital. Viele Feinheiten werden erst im unmittelbaren Erleben im Kunstraum sichtbar. Wir hatten auch schon Programmierungen online vorgenommen. Aber am Bildschirm sehen die Farben nie genauso aus wie in der Realität. Dann zu erklären, welches grün man gerade sieht, ist schwierig (lacht)! Die Farbwechsel, welche abhängig vom Künstler rund eine Stunde dauern, programmiert das Studio James Turrell deshalb selber hier vor Ort. Das macht jeden Sky Space zu einem einzigartigen Kunstwerk.
Zumtobel und Lichtforschung
Welche Einflüsse hatte Turrell sonst auf Jürgen Häcker?
Durch ein Projekt im Engadin habe ich meine Frau kennengelernt (lacht!). Diese Geschichte erzählt Turrell, den ich schon oft persönlich getroffen habe, gerne selber. Ich war in St. Moritz mit der Installation eines Werkes beschäftigt und habe im Hotel, in welchem ich logierte, meine heutige Frau kennengelernt.
Durch Turrell habe ich räumliches Sehen neu gelernt. Ich kann heute Architekten Licht erklären. Licht inszeniert Räume, Turrell demonstriert die wahrnehmungspsychologischen Aspekte, man lernt Räume zu «entwerfen», Raumbegrenzungen aufzuheben. Zudem betreibt Zumtobel intensive Forschung in allen Bereichen des Lichts, z.B. tageslichtabhängige Beleuchtung, optimiert auf den Melatonin-Serotonin-Spiegel. Es gibt so viele Produkte und Themen zur Illuminierung auf dem Markt, dass die Lichtberatung mehr denn je gefragt ist.
Wie wird der My Sky öffentlich zugänglich sein?
Das ist noch nicht klar und obliegt der Entscheidung des Kinderspitals, respektive der Stiftung. Aber das Kunstwerk wird ganz sicher in der Fachwelt einen Hype auslösen, den es irgendwie zu bewältigen gilt.


Häusler Contemporary: James Turrell «Works 1984 – 2023»
Roden Crater – James Turrell
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